IKEBANEN

 

Im Lyzeum besuchte ich eine Klasse mit einem biologisch-chemischen Lernschwerpunkt. Zusammen mit meinen Schulkameraden verbrachten wir viel Zeit im Biologieraum und betrachtete das geheime Leben, der in den Terrarien eingesperrten Geschöpfe.
Agata Norek ähnelt zur Zeit einer Eidechse, die ihre alte Haut abgeworfen hat. Sie ist scheinbar dieselbe Person, die wir kennen, aber sie ist doch verändert. Es ist nicht lange her, als diese Veränderung statt gefunden hat. Und genauso, wie die neue Eidechsenhaut, die über eine gewisse Zeit besonders empfindlich ist, ist auch meiner Überzeugung nach, Agatas neues Antlitz, das sich zur Zeit in einem besonderen Moment, „in statu nascendi“, in der Zeit des Entstehens befindet, eine sehr empfindliche Materie. Umso mehr als Agatas Lebenssphäre, die sich verändert hat, sehr persönlich, sehr intim ist. Agata entdeckte in sich die Frau.
Wie sie selbst behauptet, entdeckte sie sie in den geistigen, psychischen und körperlichen Bereichen.

Wenn ich mir ihre Diplomarbeit anschaue, habe ich manchmal den Eindruck, dass es sogar eine biologische Endeckung ist. Agata entdeckte ihren Körper. Das klingt mehrdeutig, aber so sollte es auch klingen.

An den Wänden des schon oben erwähnten Biologieraums hingen Glasvitrinen, in denen sich reihenweise geordnete Insekte befanden: Bunte Schmetterlinge, gepanzerte Käfer. Als ich mir zwei Reihen ihrer Objekte, die an Ziegelsteinen und Beton erinnerten, ansah, habe ich im ersten Moment an die systematisch geordnete Sammlung von exotischen Blumen, die auf einem Schutthaufen lagen, gedacht.
Erst nach genauer Betrachtung merkte ich, dass es keine Blumen, sondern einzigartige vaginale Ikebahnen waren. Nur die Wahrnehmung des Hintergrundes veränderte sich nicht, denn Ziegel blieb Ziegel, Beton blieb Beton.


Diese Entdeckung weckte formelle Assoziationen mit dem „Herbarium“ von Alina Szapocznikow. Dort jedoch strahlen die Abdrücke des anatomischen Details in Form von Spuren, Fetzen, Überresten des entrinnenden Lebens eine dramatische Aura aus. In Agatas Arbeiten haben wir es jedoch mit Erinnerungsstücken der leidenschaftlichen Ekstase zu tun, die eine freudige Vitalität ausstrahlen. Der Hintergrund aus Ziegel und Beton weist vielleicht darauf hin, dass die Ekstase in überraschenden und unerwarteten Situationen erlebt wurde. Umso stärker wirkt die Kraft der Vitalitätsspuren, die versucht hat, dass auf dem rohen Beton Liebesblumen aufgeblüht sind (Agata sorgt dafür, dass ihre Blumen eindeutige vaginale Assoziationen wecken).

Agata Noreks Arbeiten sind zu intim, um sie einer kühlen Kritik zu unterziehen. Sie fand eine treffende, poetische Form für den Ausdruck eines so heiklen Themas, wie die erwachte weibliche Körperlichkeit. Bei der heutigen Übersättigung der modernen Kunst mit der kühlen Physiologie, sind ihre Arbeiten, die auf die moderne Sprache nicht verzichten, ein lyrischer Gesang.

Andrzej Tobis über die Diplomarbeit von Agata Norek
(aus dem Polnischen übersetzt von J. Mischtal)



>